Sonntag, 6. Januar 2013

Erinnerungen

Ein weiteres mal stand sie vor ihrem Elternhaus und starrte auf deren Überreste.
Schon lange war das Feuer gelöscht und die verkohlten Leichen ihrer Eltern geborgen und beerdigt.
Alles was ihr damals brauchbar erschien und den Brand unbeschadet überlebt hatte, ist geborgen worden und den größten Teil hatte sie zu Geld gemacht. 
Nur zwei Sachen lagen ihr am Herzen: der Pilgerstab ihres Vaters und die Schreibausrüstung ihrer Mutter.
Nun stand sie nach drei Jahren Trauer und einer Kastenausbildung zur Bäckerin erneut vor diesen Trümmern ihrer selbst und fragte sich was genau sie erwartet hatte. Ti hatte sich verändert, die ihr vertrauten Gesichter waren verschwunden, Leute hatten sich geändert und nicht immer zum guten. Der Fleischer ein paar Häuser weiter, der sie früher als Kind immer auf seinen Schultern getragen hatte, war fett geworden und seine Augen stierten über ihren Körper auf der Suche nach mehr, doch sie beachtete ihn nicht weiter.
Gwenda klammerte sich an den Pilgerstab ihres Vaters und in ihr kamen Erinnerungen hoch, Gerüche, Momente. Glückliche Momente, der Duft von warmen frischen Brot aus dem Ofen aber auch der Gestank nach verbrannten Fleisch stieg ihr wieder in die Nase und sie schüttelte traurig den Kopf.
Sie wollte den Spuren ihrer Eltern folgen, mehr über ihre Vergangenheit erfahren und sehen was ihr die Zukunft bringt. So stand sie da, die Schreibutensilien ihrer Mutter gut versteckt in ihrem Korb mit den Vorräten und Waren für ihre Pilgerreise. Sie wusste das dies nicht üblich war für Frauen, doch was sollte sie noch verlieren außer diesen Sachen und ihrem eigenen Leben?
Zu der Stadt hatte sie keinen Bezug mehr, denn ein alter Freund ihres Vaters hatte sie damals zu sich genommen und ihr alles beigebracht was er wusste, außerhalb der Stadt. Von ihm hatte sie auch das Schreiben erlernt, doch wusste sie mit diesem Wissen nicht hausieren zu gehen. 
Sie hatte gelernt das sie Schweigen sollte wenn es um solch heikle Angelegenheiten ging, doch weiß sie von sich selbst das dies eines der Dinge ist die ihr am schwersten Fallen, gerade wenn sie aufgeregt ist.
Und sie ist schnell aufgeregt!
Sie zieht die Nase hoch als sie merkt wie ihr die Tränen kommen und ehrt noch ein letztes mal das niedergebrannte Haus und damit die Toten, indem sie ein Laib Brot auf die Überreste der Türschwelle legt, ein  Laib Sa-Tarna- Brot und eine Bota Ka-la-na. "Ich lasse euch heute Nacht Wein trinken" sagt sie leise , das nur der Wind es hört und lächelt dabei leicht. Sie dreht sich um und wirft keinen Blick mehr zurück. Am Anfang setzt sie zögerlich einen Fuss vor den anderen bis es ihr leichter fällt und ihre Füße sie zielsicher zum Hafen tragen.
 Sie sieht dort Harl stehen, abfahrtsbereit und sie nickt ihm zu, er ist einer der zweien denen sie bisweilen vertraut, doch sie weiß das sie für andere ihr Herz öffnen muss, wenn sie ihren Traum erfüllen möchte.
Harl ist groß und breitschultrig doch sie kennt ihn seit Jahren und er erscheint ihr eher ihr großer Bruder zu sein, als ein Nachbarsbursche von früher. Sie steigt auf das Boot und sie weiß das er sie sicher an die erste Station ihrer Reise bringen wird.
Turmus. Immer wieder überlegt sie warum sie dort beginnen möchte, doch sie hat das Gefühl es ist richtig. Ihre Reise ist über Jahre gut überlegt und das Geld dafür lange gespart, eingenäht in ihre Kleidungen und auch in manche der Vorräte hat sie Geld eingebacken, doch weiß sie natürlich welche Brote dies sind. 
Mit fiebrigen Blick und fast so etwas wie Vorfreude blickt sie voraus in den sich spiegelnden Sonnenschein und sieht dann auf zu Harl. "Auf nach Turmus, auf das du bald deine freie Gefährtin wiedersiehst.", sie schluckt, hatte sie doch damals nicht gedacht das er sich so entscheiden würde, doch sie hatte zu lange gewartet. Er nickt traurig und sie weiß auch dieser Abschied wird ihr noch schwerfallen, doch was sollte sie hier bleiben, nichts hielt sie und ihr Traum rückte dafür in greifbare Nähe. Langsam trug das Boot sie den Olni hinunter und ihr Blick war wieder auf den Fluss geheftet, auch wenn ihre Gedanken emsig kreisten.

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